Lofer: Die zweite Verdonschlucht in den österreichischen Alpen

Blick auf die Berge, fester grauer Kalkstein und jede Menge gut gesicherter Kletterrouten. Wenn dich die Berge rufen, du aber bisher nur Erfahrung mit Sportrouten hast, dann auf nach Lofer.

Lofer bzw. die Loferer Alm ist ein Kalkfelsengebiet im österreichischen Bundesland Salzburg. Der hiesige Kletterstil ist im Grunde eine Kreuzung aus Sportklettern und Bergsteigen. Deshalb wird er auch als "Verdon-Stil" bezeichnet – nach der berühmten französischen Schlucht. Einhundert Meter lange Mehrseillängen schätzt jeder Kletterer, der gern mal einen Blick in die Berge werfen würde, aber auch ein Sportkletterer mit guter Ausdauer, der keine Lust mehr hat, sich auf schönen Einseilrouten an Ketten zu sichern und lieber im gleichen Geist weiter klettern würde

Der Vorteil von Lofer gegenüber Verdon ist, dass es bisher etwas weniger bekannt ist. Und dabei ist es auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Belohnung für jede hier bezwungene Route ist eine atemberaubende Aussicht. Kristallklare Bergluft ist ebenfalls im Preis des Erlebnisses inbegriffen. 

Tschechische Spur in Lofer

Lange Zeit war diese Gegend von der Außenwelt abgeschnitten. Nur wenige aus dem Ausland hatten von ihr gehört. Und wem der Name der Gegend doch etwas sagte, hatte meist Angst, hierher zu kommen. Die Sicherung der Routen war halsbrecherisch, und Unfälle gab es hier leider genug. Alles änderte sich in den 1990er Jahren, als dieser malerische Teil Österreichs von Fidelius Scheidhacker, Fritz Amann und Josef Brüderl entdeckt wurde. Sie zeigten sein riesiges Potenzial auf und legten den Grundstein einer Epoche mit neuen, gut gesicherten Routen und hochwertigen Ständen. Auch der berühmte Kletterer Alexandr Huber trat in ihre Fußstapfen. 

Die letzten zehn Jahren kommt auch der tschechische Rekordhalter im Klimmziehen, Jan Kareš, hierher, um neue Routen zu legen. Insgesamt gibt es in Lofer mehr als hundert Mehrseillängenrouten, von denen zehn von Honza Kareš und seinen Mitstreitern gesichert wurden. "Im Herbst 2019 kehrte ich endlich nach Lofer zurück, diesmal mit Honza Hrnčíř. Denn jedes Mal, wenn ich ein Foto von Lofer sah, wollte ich einfach nur dort sein", sagt Honza Kareš. Sein letzter Beitrag zum Klettern in Lofer ist die 7a-Route Franco Columbu. 

Hundert mal hundert Meter Freude

In dem gesamten Gebiet gibt es schätzungsweise hundert Routen mit Schwierigkeitsgraden zwischen 6a und 8c. Die Ähnlichkeit mit dem Klettern in Verdon ist auch darauf zurückzuführen, dass hier lange technische Routen in senkrechten oder leicht überhängenden Wänden überwiegen. Eher ausnahmsweise stößt man in Lofer auch mal auf einen Überhang. Eine weitere Ähnlichkeit besteht darin, dass man sich abseilen muss, um das Gebiet zu erreichen.

Die Routen von Honza Kareš liegen bezüglich ihrer Schwierigkeit im Mittelfeld – sie beginnen bei 6c und enden vorerst bei 8a. Du stößt in diesen Routen auf Risse und den einen oder anderen Überhang. Alle sind sehr gut mit hochwertigen Bohrhaken gesichert, an den Ständen gibt es Ketten mit Karabinern und an den Einstiegen oft große Steine, wo man seine Schuhe wechseln kann. Die Routen findest du im Sektor mit dem sehr treffenden Namen Czech Climbing (eine Liste aller Routen von Honza Kareš findest du am Ende des Artikels).

Die beste Zeit, um Lofer zu besuchen, ist im Frühling oder im Herbst, wenn die Temperatur fürs Klettern optimal ist und man beim Klettern nicht bei lebendigem Leibe in der Sonne gebacken wird. 

Anreise nach Lofer und Übernachtung

Fahr mit dem Auto von Lofer aus die schmale Straße hinauf zur Loferer Alm. Diese Strecke ist gebührenpflichtig. Rechne mit einem Preis von ca. 10 €. Die Gebühr kann zusammen mit der Rechnung in lokalen Restaurants bezahlt werden. Geparkt wird vor dem Gasthof Schönblick. Von hier aus führt ein Forstweg in südlicher Richtung zur Lachfeldschneid, nach deren Passieren man nach ca. 15 Minuten einen Tümpel erreicht. Dann geht es weiter nach rechts zum Sattel hinauf, dann links über eine feuchte Almwiese und weiter geradeaus nach Süden, durch einen spärlichen Wald bis zur Kante der Wand. Insgesamt dauert der Zustieg zur Abseilstelle ca. 30 Minuten. Anstelle eines Spaziergangs durch einen Rosengarten erwartet einen hier nasses, rutschiges Gelände, das man auf jeden Fall bei Tageslicht überwinden sollte. Aber der Zugang zum Gebiet ist die Mühe wert! An dieser Stelle kannst du unnötiges Material zurücklassen und dich entweder östlich oder westlich über die Route Graues Buch abseilen. Dazu benötigst du zwei 50 m lange Seile.

Wenn du dich an die obigen Empfehlungen hältst und im Herbst oder Frühling nach Lofer kommst, vermeidest du die Haupttouristensaison. Übernachten kannst du daher im Auto, das du auf dem Parkplatz vor der letzten Schranke am Gasthof Schönblick (47.607425, 12.649744) abstellst. Leute, die wild campen, sind bei den Einheimischen nicht gern gesehen, daher rate ich von dieser Variante ab. Übernachten kann man aber auch in einer der umliegenden Hütten. Es ist jedoch erforderlich, sie im Voraus zu buchen. Gelegenheit dazu bieten beispielsweise die nah gelegenen Berghütten Alpin Gasthof, Müllerkaser oder auch das Berg-Hotel-Restaurant Haus Gertraud. Wenn du dort keine freie Unterkunft findest, besteht kein Grund zu verzweifeln – direkt im Städtchen Lofer gibt es viele andere Möglichkeiten. 

Alle Routen von Honza Kareš in Lofer:

Léňa 6c – eine sehr beliebte, ausgewogene und gut gesicherte Route mit 6 Längen, für hiesige Verhältnisse eine lange Route

Street Workout 6c – 100 Meter Klettern auf 5 Längen (die fünfte Länge führt zum Ausstieg und ist mit 2 klassifiziert)

Danko 7a – das Schwierigste ist die zweite Länge mit Schwierigkeitsgrad 7a, die anderen 4 Längen sind leichter

Louda 7a – senkrechte, kräftezehrende Route mit vier Längen mit Schwierigkeitsgraden 6b, 6c+, 7a und 6b+

Franco Columbu 7a – der neueste Routen-Beitrag von Honza Kareš 

Brexit 7a+ – eine Ausdauerroute, die im Zickzack durch den zentralen Überhang des Sektors verläuft

Pája 7c – fünf Seillängen mit Schwierigkeitsgrad 6b, 7a, 7c, 7b+ und 7a+

T.T. 8a – 120 Meter anstrengendes Klettern auf 6 Längen, von denen die ersten die schwierigste ist 

Lezec.cz 8a – allmählich schwieriger werdende Route mit 4 Längen mit Schwierigkeitsgraden 6c+, 7b, 8a und 8a

Armin 8a – senkrechte Route mit 4 Längen mit Schwierigkeitsgraden 8a, 7b, 7c und 7b/+

Foto: Jan Kareš Climbing Team