Kyra Condie: Über ihre Quarantänetrainingsserie, die verschobenen Olympischen Spiele und die Änderung ihrer Pläne

Geplant war ein ausführliches Gespräch über die bevorstehenden Olympischen Spiele. Aber die Lage hat sich geändert. Anstatt sich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten, veröffentlicht Kyra jetzt regelmäßig eine Reihe von Tipps, wie man im Klettern besser werden kann, auch wenn man gerade zu Hause unter Quarantäne steht.

Wie sieht die aktuelle Entwicklung der Pandemie in den USA aus? Wie hat sich Dein Alltagsleben seit ihrem Beginn verändert?

Die Dinge beginnen sich wieder zu normalisieren, was meiner Meinung nach noch etwas früh ist, da die Zahlen in den Staaten immer noch steigen. Die ganze Zeit bewältige ich den größten Teil meines Trainings zu Hause und habe dazu noch eine Reihe weiterer Aktivitäten entwickelt – Puzzle, Spiele, Stricken oder Musik. Glücklicherweise habe ich mir gleich zu Beginn der Quarantäne eine Heim-Boulderwand gebaut, so dass ich die ganze Zeit klettern konnte. 

Was war für Dich am schwierigsten zu akzeptieren und wie hast Du das geschafft?

Ich würde sagen, das Schwierigste an dem Ganzen ist der Mangel an sozialem Leben. Ich bin gerade erst nach Salt Lake City gezogen und bin sofort um die Möglichkeit gekommen, Zeit mit meinen neuen Freunden zu verbringen. Nicht so toll. Stattdessen haben wir häufiger FaceTime genutzt und telefoniert, um dies auszugleichen.

Was sind Deiner Meinung nach die Vor- und Nachteile dieser seltsamen neuen Situation? Und hat sie überhaupt Vorteile?

Ich denke, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Quarantäne werden weltweit größer sein als alles, was ich jemals erlebt habe. Kompliziert ist die Situation besonders für Menschen, die Minderheiten oder anderen marginalisierten Gruppen in den Staaten und anderswo angehören und einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Es tut mir immer sehr leid, wenn ich so viele Menschen um mich herum sehe, die von der Krise stärker betroffen sind als ich. Die gute Seite daran wird hoffentlich ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Menschen sein, da wir alle gemeinsam mit dem Virus konfrontiert sind. Mir scheint, dass dies das erste Mal ist, dass sich alle in etwas einig sind. 

Ist es jetzt möglich, in den USA im Freien zu klettern (Ende Mai, Anfang Juni)?

Ja, wir können rausgehen und klettern. Ich selbst habe noch ein bisschen damit gewartet, weil ich eine Boulderwand zu Hause habe. Also habe ich beschlossen, das Klettern im Freien Leuten zu überlassen, die diese Möglichkeit nicht haben. Aber ich habe schon ein paar Mal nach draußen geschaut und es war sowohl mental als auch, was das Klettern betrifft, sehr angenehm. Es ist ein tolles Gefühl, draußen in den Bergen zu sein.

Wie hast Du Dich gefühlt, als Du erfuhrst, dass die Olympischen Spiele in Tokio auf 2021 verschoben wurden?

Ehrlich gesagt war ich zunächst richtig erleichtert, dass sie nicht vollständig abgesagt wurden und meine Einladung weiterhin gültig ist. Ich fühle jetzt hauptsächlich mit all denen, die sich aufgrund der Umstände noch nicht qualifizieren konnten.

Du bist von Minnesota nach Salt Lake City umgezogen, um vor den Olympischen Spielen intensiv trainieren zu können. Wo hast Du die Quarantäne verbracht und was planst Du, ein ganzes weiteres Jahr lang vor den Olympischen Spielen zu tun?

Ich lebe alleine in einer Wohnung in Salt Lake City und wollte auch nach den Olympischen Spielen dauerhaft hier wohnen bleiben. Also in dieser Hinsicht ändern sich meine Pläne nicht grundlegend. Die Klettergemeinde ist hier unglaublich freundlich und ich mag es hier. Es ist auch nicht weit zu den Felsen und es stehen sehr viele zur Auswahl, daher denke ich, dass es schwierig ist, einen besseren Ort zum Leben zu finden. 

Wie hast Du das Training während der Quarantäne bewältigt?

Am Anfang war ich sehr motiviert, aber ich hatte definitiv auch Momente, in denen die Motivation etwas schwächer wurde. Ich spüre aber, dass sie jetzt wiederkommt. Ich habe mich hauptsächlich darauf konzentriert, Dinge zu tun, die ich mag, um nicht auszubrennen.

Wurde es mit der Verlängerung der Quarantäne schwieriger, in häuslicher Umgebung ein regelmäßiges Trainingsprogramm einzuhalten?

Es wurde definitiv immer schwieriger. Ich denke, dass einen der psychische Aspekt der Quarantäne fauler macht, insbesondere weil man nicht rausgehen kann, alle Wettbewerbe, auf die man sich freuen könnte, abgesagt sind und man mit niemandem klettern kann. Ich klettere gerne alleine, aber auch mir war es dann zu Hause schon zu einsam.

Auf Deinem Instagram-Account hast Du eine nette Serie mit Anweisungen für das Training zu Hause erstellt – in den Videos erklärst du, wie man Kraft, Flexibilität und andere Dinge trainieren kann. Wie bist Du überhaupt darauf gekommen, damit anzufangen?

Mir ist aufgefallen, dass meine Videos mit Trainingstipps in der Vergangenheit auf Instagram die größte Resonanz hervorriefen. Viele Leute haben mich um weitere Videos gebeten. Ich habe auch irgendwo gehört, dass Regelmäßigkeit und ein konsequenter Ansatz in sozialen Netzwerken wichtig sind, deshalb habe ich mir überlegt, jede Woche Videos zu veröffentlichen. 

Und wie geht es weiter? Hast Du noch irgendwelche anderen Trainingsthemen parat, die Du verarbeiten möchtest?

Ich würde gern die Wiedereröffnung der Kletterzentren dazu nutzen, um andere Wege zum Training von Ausdauer und Kraft aufzuzeigen. Ich werde mich auf das Training mit Equipment konzentrieren, das ich zu Hause nicht zur Verfügung habe.

Du bist für Deine Fähigkeit bekannt, im Klettermodus volle 100 % aus Dir herauszuholen – hättest Du nicht irgendeinen Rat, wie man sich diese Fähigkeit aneignen kann?

Ich denke, es gibt einige Dinge, die man tun kann, um sich dieses Mindset anzutrainieren. Entferne alles, was Dich ablenken könnte, wenn Du ernsthaft trainieren willst. Wenn Du auf einer Route 100 % geben willst, hilft es Dir definitiv nicht, zwischen einzelnen Versuchen immer Dein Handy zu checken. Und man sollte auch lernen, Fehler zu akzeptieren, die man natürlich ziemlich häufig macht. 

Was hält Dich in diesen merkwürdigen Zeiten bei Laune?

Ich habe kürzlich zwei Kätzchen adoptiert und die heben meine Stimmung sehr.

Worauf freust Du Dich jetzt?

Ich freue mich darauf, wieder zum Status Quo zurückzukehren. Ich bin dankbar, dass ich klettern kann und immer noch die Vision der Olympischen Spielen vor mir habe.

Was sind Deine aktuellen Ziele – im Training, beim Klettern und im Alltag?

Ich habe ein paar Projekte in Salt Lake City im Visier, die ich gerne ausprobieren würde. Was mein nächstes Ziel ist, weiß ich nicht so genau, aber im Allgemeinen habe ich immer noch genug Motivation, um daran zu arbeiten, eine stärkere, bessere und vielseitigere Kletterin zu werden.

Danke für die Antworten! Wir wünschen Dir gute Gesundheit.