Jernej Kruder: Wie man die Motivation in einer Kletterpause aufrechterhält

Sich zu verletzen, wenn man in der Form seines Lebens ist, ist der Albtraum eines jeden Kletterers. Jernej Kruder hat frische Erfahrungen damit. Seine Herangehensweise an unerwünschte Pausen von dem Sport, den er so sehr mag, kann in Zeiten der globalen Quarantäne ein wenig Inspiration für uns alle sein.

Du warst letztes Jahr in Form. Du warst einer der Kletterer, die die Chance hatten, für die Olympischen Spiele nominiert zu werden. Und in diesem Moment kam die Verletzung. Wann genau war das?

Zum Glück passierte es erst am Ende der Saison. In Toulouse (beim letzten Qualifikationswettkampf für Tokio im Jahr 2019, Anm.) war ich gut vorbereitet. Die anderen aber auch. Die Unterschiede beim Klettern sind oft gering, was jedoch nie für die Ergebnisse gilt.

Wie kam es zu Deiner Verletzung?

Wir haben Boulder im Mandala-Kletterzentrum in Dresden gebaut. Mein Freund Zan und ich beschlossen, eine kurze Pause am Hohen Schneeberg (Sněžník) einzulegen. Wir bestiegen schließlich den Modřín (Nachbargebiet auf demselben Hügel, Anm.) und bezwangen einen Boulder nach dem anderen. Dann fing es jedoch an zu regnen. Wir hatten nur eine Bouldermatte, ich stürzte vom Ausstieg und schlug mit der linken Hand auf einen Stein auf. Ich fuhr zum Arzt, um ein CT anfertigen zu lassen und erfuhr, dass mein Ellbogen gebrochen war.

Wirst Du jemals dorthin zurückkehren oder hegst Du jetzt negative Gefühle für den Ort?

In einer solchen Situation würde ich sagen, dass es einfach nur Pech war. Es gibt keinen Schuldigen. Es war weder die Schuld des Fängers noch des Felsens. Es hätte mir schon hundert Mal vorher passieren können, und es kommen hundert andere Situationen mit ähnlichen Risiken.

Wie sah die anfängliche Prognose aus?

Ich hatte zwei Möglichkeiten. Entweder einen Gips oder eine sofortige Operation. Nach Meinung des Arztes war eine Operation die bessere Variante für mich, da weniger Muskelmasse dabei verloren

geht. Also entschied ich mich für eine Operation und konnte meinen Arm bald für weniger anstrengende Aktivitäten benutzen. Es dauerte 6 Wochen, bis ich wieder einen Griff berühren konnte.

Verlief Deine Genesung langsam, schnell oder ging im Wesentlichen alles gemäß Prognose?

Nach 6 Wochen konnte ich wieder anfangen, einfachere Routen zu klettern. Ich bin 6 Tage am Stück geklettert und habe meine erste 8a-Route nach der Operation geschafft. Infolgedessen begann mein Arm wieder wehzutun, also verordnete ich mir eine weitere Woche Pause. Ich hatte vorher noch nie eine Fraktur gehabt. Daher fällt es mir schwer zu sagen, ob die Erholung jetzt schnell oder langsam verläuft. Der Schmerz kehrt von Zeit zu Zeit zurück, aber das ist angeblich normal. Da ich schon schwierigere Routen geklettert bin, würde ich sagen, dass meine Genesung doch ziemlich schnell geht.

Wie bist Du mit der Frustration über die Verletzung umgegangen?

In den ersten zwei Wochen war ich sehr frustriert und zu dem müde von der Operation. Es war schon deshalb schwierig für mich, weil alle meine Hobbys zwei gesunde Hände erfordern. Am Ende fing ich an, Touren in die umliegenden Berge zu machen.

Musstest Du viele Deiner Pläne aufgeben?

Es tat mir leid, den Neujahrsausflug ins Tessin ausfallen lassen zu müssen. Ich habe dort einige Projekte gefunden und freute mich darauf, diesen Winter öfter dorthin zu kommen.

Wie fühlst Du Dich jetzt? Findest Du schnell wieder zu Deiner Form zurück?

Ich bin froh, dass ich nicht die gesamte Koordination verloren habe. Natürlich musste ich wieder etwas Kraft aufbauen und ich bin immer noch nicht dort, wo ich war.

Sind Deine Chancen, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, aufgrund der Pandemie nicht paradoxerweise wieder etwas größer? Es gibt noch immer eine freie Stelle von der Europameisterschaft, deren Aufschub Dir mehr Zeit für das Training lässt. Und es gibt auch eine "Wild Card".

Ich möchte mir nicht allzu viel Hoffnung (und damit meine ich Druck) auf ein Tokio-Ticket machen. Aber ich werde trotzdem trainieren und versuchen, noch einmal alles zu geben.

Machst Du irgendwelche Rehabilitationsübungen mit Deinem Arm?

Mein Rezept ist immer Klettern. Ich klettere zunehmend mehr, um allmählich wieder dorthin zu gelangen, wo ich aufgehört habe. So habe ich es immer gemacht und werde es auch in Zukunft tun.

Hast Du jetzt Schmerzen beim Klettern?

Ja, habe ich. Nicht ständig, aber manchmal kann es nervig sein. Aber das Wichtigste ist, dass ich wieder mit vollem Einsatz klettern kann.

Wie hast Du die Zeit genutzt, in der Du nicht klettern konntest?

Abgesehen vom zuvor erwähnten Wandern nicht allzu intensiv. Als mein Arm allmählich besser wurde, fing ich an, Skitouren zu unternehmen.

Hast Du während der Pause Dein Wissen oder Deinen Horizont irgendwie erweitert?

Haha, nicht zu sehr. Ich weiß genauso viel wie vorher. Dass alles passieren kann und dass es Dinge gibt, auf die ich keinen Einfluss habe. Ich habe neue Sportarten entdeckt, sie aber auf Eis gelegt, sobald ich wieder zu klettern begann.

Kannst Du Dir – rein theoretisch – ein Leben ohne Klettern vorstellen?

Nein, kann ich nicht! Klettern ist mein Leben, meine Arbeit und meine Leidenschaft. Gäbe es kein Klettern, würde ich mir wahrscheinlich einen anderen Sport suchen und alles daran setzen, ähnlich erfolgreich darin zu sein.

Hast Du irgendwelche Ratschläge für Kletterer, die versuchen, eine Verletzung zu überwinden?

Einfach abwarten, bis es wieder gut ist. Das klingt vielleicht dumm und nervt, aber negative Energie hilft nicht. Findet etwas, das Ihr liebt und verbringt mehr Zeit mit Menschen, die Euch wichtig sind.